BFH-Rechtsprechung

Aktenzeichen Suchbegriff Datum der Entscheidung  

Urteil vom 14. Oktober 2015, I R 74/13

Aufwendungen für eine Golfturnierreihe als abziehbare Betriebsausgaben

BFH I. Senat

EStG § 4 Abs 5 S 1 Nr 4, EStG VZ 2005 , EStG VZ 2006 , EStG VZ 2007

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 18. September 2013, Az: 6 K 38/12

Leitsätze

Zwar können durch das Veranstalten eines Golfturniers veranlasste Aufwendungen einen den Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten "ähnlichen Zweck" erfüllen und dadurch den Betriebsausgabenabzugsausschluss nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 auslösen. Dies gilt aber nicht für Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Golfturnierreihe (20 Veranstaltungen) mit freier Teilnahmemöglichkeit für jeden Interessenten, zu deren Finanzierung sich ein Brauereibetrieb gegenüber seinen Geschäftspartnern (hier: Vereine bzw. Gastronomiebetriebe) im Rahmen von Bierliefervereinbarungen vertraglich verpflichtet.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19. September 2013  6 K 38/12 aufgehoben.

Die Körperschaftsteuer 2005 bis 2007 und die Gewerbesteuermessbeträge 2004 bis 2007 werden unter Abänderung der angefochtenen Bescheide auf jeweils den Betrag festgesetzt, der sich ergibt, wenn Aufwendungen in Höhe von 32.782 € (2004), 43.599 € (2005), 35.649 € (2006) und 44.580 € (2007) als abziehbare Betriebsausgaben angesetzt werden.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Streitig ist, ob Aufwendungen im Zusammenhang mit Golfturnieren als nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG 2002‑‑) anzusehen sind.

  2. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Streitjahren 2004 bis 2007 eine Brauerei; sie hatte in jenen Jahren ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis 30. September des Folgejahres (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG 2002 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 1, 2 des Körperschaftsteuergesetzes ‑‑KStG 2002‑‑). Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit schloss sie u.a. mit Betreibern von Golfplätzen (Vereinen) und den Betreibern der angeschlossenen Gastronomiebetriebe Verträge über die Lieferung von Getränken (insbesondere Bier). Dabei hatte sie sich (grundsätzlich bereits bei Abschluss der Liefervereinbarungen) verpflichtet, Golfturniere durchzuführen und die Durchführung solcher Turniere durch die Golfvereine finanziell zu unterstützen (in der Regel ein Turnier pro Jahr). Dies erfolgte im Rahmen einer Golfturnierreihe ("X Cup") mit in den Streitjahren durchschnittlich 20 Turnieren pro Jahr. Die Vereine übernahmen die Organisation, die Ausschreibung sowie die Turnierausrichtung und luden zur Teilnahme ein. Einzelheiten zu den Preisen und der Verpflegung sprach ein Außendienstmitarbeiter der Klägerin mit dem Spielführer bzw. Präsidenten sowie mit der Gastronomie des jeweiligen Klubs ab. Nach eigenen Angaben der Klägerin hatte sie keinen Einfluss auf die Teilnehmerliste. Die Teilnehmer der Turniere meldeten sich auf die Ausschreibungen der Vereine zur Teilnahme an. Es nahmen sowohl Mitglieder der ausschreibenden Klubs als auch Gäste aus anderen Vereinen teil. Die Siegerehrung erfolgte in der Regel durch einen Vertreter der Klägerin. Jene übernahm die Kosten für die Platzmiete, die Verpflegung und die Preise nach jeweiliger Rechnungstellung durch die Vereine (jeweils etwa 2.000 € bis 3.000 € pro Turnier; Gesamtbeträge: 32.782 € [2004]; 43.599 € [2005]; 35.649 € [2006]; 44.580 € [2007]). Gemäß den Bierliefervereinbarungen brachten die Golfvereine im Gegenzug beim "X Cup", während der anderen Golfturniere sowie in der angeschlossenen Gastronomie das gesamte Jahr über das Bier und weitere Getränke der Klägerin zum Ausschank.

  3. Die Klage gegen geänderte Festsetzungen zur Körperschaftsteuer (2005 bis 2007) und den Gewerbesteuermessbeträgen (2004 bis 2007) unter Ansatz von nicht abziehbaren Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002, § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes 2002) blieb erfolglos (Niedersächsisches Finanzgericht ‑‑FG‑‑, Urteil vom 19. September 2013  6 K 38/12, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2014, 122).

  4. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer bzw. die Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre ohne den Ansatz nichtabziehbarer Betriebsausgaben (Aufwendungen "X Cup") festzusetzen.

  5. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet; das FG hat im angefochtenen Urteil die streitigen Betriebsausgaben zu Unrecht als nicht abziehbare Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 angesehen. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. 1. Die Aufwendungen für die Golfturniere sind keine gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben, die bei der Einkommens- bzw. Gewerbeertragsermittlung wieder hinzuzurechnen sind.

  3. a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 dürfen Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen den Gewinn nicht mindern. Unter den Begriff der Aufwendungen für "ähnliche Zwecke" im Sinne dieser Vorschrift fallen Aufwendungen, die der sportlichen Betätigung, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der Repräsentation dienen (Senatsurteile vom 3. Februar 1993 I R 18/92, BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367; vom 7. Februar 2007 I R 27-29/05, BFHE 216, 536). Jene Aufwendungen können durch eine entsprechende Einrichtung, die Ausübung der Tätigkeiten oder die Benutzung der Einrichtungen entstehen. Es ist ohne Bedeutung, ob es sich um eigene oder gepachtete Einrichtungen handelt. Auch Aufwendungen für die Nutzung fremder Anlagen oder Wirtschaftsgüter fallen unter das Abzugsverbot (Senatsurteil in BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367; s.a. Bode in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 4 Rz 210; Schmidt/ Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 4 Rz 567; Söhn in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 4 Rz J 18; Stapperfend in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 4 EStG Rz 1320; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 753).

  4. b) Das Abzugsverbot wurde geschaffen, weil der Gesetzgeber die genannten Ausgaben "ihrer Art nach als überflüssige und unangemessene Repräsentation" ansah und "im Interesse der Steuergerechtigkeit und des sozialen Friedens" den Aufwand "nicht länger durch den Abzug ... vom steuerpflichtigen Gewinn auf die Allgemeinheit abgewälzt" wissen wollte (Begründung zum Regierungsentwurf des Steueränderungsgesetzes 1960, BTDrucks III/1811, S. 8; in Bezug auf den damaligen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 [heute Nr. 4] EStG bestätigt durch die Stellungnahme des Finanzausschusses, BTDrucks III/1941, S. 3). Ungeachtet ihrer betrieblichen Veranlassung dürfen die Ausgaben danach bei der Ermittlung des Gewinns nicht abgezogen werden. Eines konkret feststellbaren Zusammenhangs mit der Lebensführung des Steuer-pflichtigen bedarf es dafür nicht. Vielmehr stellt das Gesetz auf den Zusammenhang der Aufwendungen mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung der Geschäftsfreunde des Steuerpflichtigen ab und unterstellt diesen Zusammenhang bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002. Insoweit wird der (mögliche) Streit um die private Veranlassung der Aufwendungen typisierend "erledigt" (Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., § 8 Rz 291). Deshalb gilt das Abzugsverbot auch für Körperschaftsteuersubjekte, die nach der Rechtsprechung des Senats keine außerbetriebliche Sphäre haben können (vgl. etwa Senatsurteile in BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367, und in BFHE 216, 536, jeweils betreffend eine GmbH). Soweit in der Versagung des Abzugs der Ausgaben ein Verstoß gegen das sog. objektive Nettoprinzip liegt, ist dieser jedenfalls durch den typisiert angenommenen Zusammenhang mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen oder seiner Geschäftsfreunde gerechtfertigt (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 2. August 2012 IV R 25/09, BFHE 238, 132, BStBl II 2012, 824; zustimmend z.B. Bode in Kirchhof, a.a.O., § 4 Rz 209; Hey, a.a.O., § 8 Rz 291; Stapperfend in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1301).

  5. c) Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 allerdings einschränkend dahingehend ausgelegt, dass das Abzugsverbot nur für solche Aufwendungen gelten soll, die eine Berührung zur Lebensführung und zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung der durch sie begünstigten Geschäftsfreunde des Steuerpflichtigen haben (Senatsurteil in BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367, unter II.2.; s.a. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 754). Der den Eingriff in das sog. objektive Nettoprinzip rechtfertigende Typisierungsspielraum des Gesetzgebers ist überschritten, wenn und soweit eine private Mitveranlassung nicht typisierend angenommen werden kann (Hey, a.a.O., § 8 Rz 292). Scheidet danach etwa die Verwendung eines Schiffs zu Unterhaltungs- oder sportlichen Zwecken oder zur unangemessenen Repräsentation aus tatsächlichen Gründen aus, weil das Schiff als "schwimmender Besprechungsraum" oder reines Transportmittel genutzt wird, werden die betreffenden Aufwendungen nicht von dem Abzugsverbot erfasst (Senatsurteil in BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367). Auch Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mit einem Schiff sind nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 insgesamt vom Abzug ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 10. Mai 2001 IV R 6/00, BFHE 195, 323, BStBl II 2001, 575). Kann hingegen nicht ausgeschlossen werden, dass ein Schiff zu Unterhaltung, Sport oder Repräsentation eingesetzt wird, greift das Abzugsverbot ein (BFH-Urteil in BFHE 238, 132, BStBl II 2012, 824; s.a. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 754; Nacke in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5, Rz 1707).

  6. d) Die der Klägerin entstandenen Aufwendungen für die Golfturniere unterliegen danach nicht dem Abzugsverbot.

  7. aa) Das FG hat im angefochtenen Urteil allerdings maßgeblich auf den Vereinfachungszweck der Regelung abgestellt (s. insoweit auch Senatsurteil in BFHE 216, 536; Hessisches FG, Urteil vom 22. Mai 2013  11 K 1165/12, EFG 2013, 1477): Es widerspräche diesem Zweck, wenn für die Frage des Abzugs der im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Golfturniere anfallenden Kosten zu prüfen wäre, ob die Anbahnung und Förderung von Geschäftsabschlüssen im Vordergrund gestanden habe oder ob diese der Unterhaltung von Geschäftsfreunden oder der Befriedigung einer Neigung des Unternehmers gedient habe. Die auf Kosten der Klägerin durchgeführten Golfturniere dienten jedenfalls auch der sportlichen Betätigung der Teilnehmer und der Repräsentation des klägerischen Unternehmens.

  8. bb) Entgegen der Auffassung des FG reicht ein mittelbarer Zusammenhang der Aufwendungen mit einer sportlichen Betätigung der Teilnehmer oder die Würdigung der Turnierreihe als Repräsentation des klägerischen Unternehmens für den Tatbestand des Abzugsausschlusses indessen nicht aus. Denn es fehlt im Streitfall ein möglicher (sportlicher/gesellschaftlicher) Nutzen für Gesellschafter oder Geschäftsfreunde der Klägerin (s. insoweit auch BFH-Beschluss vom 29. Dezember 2008 X B 123/08, BFH/NV 2009, 752, zu 2. der Gründe a.E.; Hessisches FG, Urteil in EFG 2013, 1477). Zwar können auch durch das Veranstalten eines Golfturniers veranlasste Aufwendungen entsprechend der vom Rechtsanwender anzustellenden "Ähnlichkeitswertung" (Crezelius, Finanz-Rundschau 2008, 889, 895) einen den Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten "ähnlichen Zweck" erfüllen. Dies gilt aber nicht für die Ausrichtung einer Golfturnierreihe (20 Veranstaltungen), zu der sich ein Unternehmen (hier eine Brauerei) gegenüber den Geschäftspartnern (hier: Vereine bzw. Gastronomiebetriebe) im Zusammenhang mit laufenden Geschäftskontrakten ‑‑wie hier den Bierliefervereinbarungen‑‑ vertraglich verpflichtet hat. Die Durchführung der Turniere ist in einer solchen Situation als eine Art Preisbestandteil anzusehen.

  9. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die einzelnen Turniere zwar Teil eines einheitlichen und aus der Außensicht dem Unternehmen der Klägerin zuzuordnenden Wettbewerbs ("X Cup"), was nicht zuletzt auch durch die von einem Vertreter der Klägerin durchgeführte Siegerehrung zum Ausdruck kommt. Die organisatorische Verantwortung obliegt allerdings den einzelnen Klubs, die insbesondere durch eine offene Ausschreibung zur Teilnahme an einen nicht eingeschränkten Interessentenkreis einen von dem unternehmerischen Bereich der Klägerin (Gesellschafter, Geschäftspartner, Geschäftsfreunde) unabhängigen Teilnehmerkreis jedes einzelnen Turniers gewährleisten. Auf dieser Grundlage ‑‑und damit abweichend insbesondere zu den Sachumständen zum Urteil des Hessischen FG in EFG 2013, 1477‑‑ ist der sportliche/gesellschaftliche Nutzen der Turnierteilnahme von diesem unternehmerischen Bereich der Klägerin gelöst: Ein Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Stellung von z.B. Geschäftsfreunden der Klägerin ist rein zufällig und fällt zahlenmäßig (gerade mit Blick auf die Anzahl der dem Wettbewerb zuzuordnenden Turniere) nicht ins Gewicht. Die Turniere dienen angesichts der freien Teilnahmemöglichkeit für jeden Interessenten nicht ‑‑über die betriebliche Veranlassung (Bierliefervereinbarungen; Werbeeffekt) hinausgehend‑‑ zusätzlich einem besonderen Repräsentationszweck gegenüber dem Personenkreis, der Zielpunkt des Abzugsausschlusses ist. Vielmehr dienen die Turniere ausschließlich dazu, die Verpflichtung der Klägerin aus den Bierliefervereinbarungen zu erfüllen und im Zusammenhang mit den Veranstaltungen den Fortbestand der Liefermöglichkeiten auch für die Zukunft zu sichern.

  10. 2. Die Berechnung der Körperschaftsteuer bzw. der Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre nach Maßgabe der Entscheidungsgründe wird dem FA übertragen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

  11. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Quelle: https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE201610043/



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