BFH-Rechtsprechung

Aktenzeichen Suchbegriff Datum der Entscheidung  

Urteil vom 23. November 2023, VI R 9/21

Arbeitslohn bei Teilerlass eines nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz geförderten Darlehens

ECLI:DE:BFH:2023:U.231123.VIR9.21.0

BFH VI. Senat

AFBG § 10 Abs 1 S 1, AFBG § 12 Abs 1, AFBG § 13b Abs 1, EStG § 9 Abs 1 S 1, EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG VZ 2018

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 31. März 2021, Az: 14 K 47/20

Leitsätze

Der allein vom Bestehen der Abschlussprüfung abhängige Darlehensteilerlass bei der beruflichen Aufstiegsfortbildung ist Ersatz von Werbungskosten aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen und führt daher zu Arbeitslohn.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 31.03.2021 - 14 K 47/20 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten und wurden für das Streitjahr (2018) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Klägerin ist bei der (X-AG) in Z angestellt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

  2. Im Jahr 2014 nahm sie an der … Akademie … (Y) in Z an einer Aufstiegsfortbildung zur geprüften Industriemeisterin Metall teil, im Jahr 2015 an einer solchen zur geprüften Technischen Betriebswirtin IHK. Für die Teilnahme an den Fortbildungen nahm die Klägerin ihren Urlaub sowie Zeiten aus ihrem Arbeitszeitkonto in Anspruch. Während der Dauer der Fortbildungen, die nicht auf Weisung der X-AG erfolgten, zahlte die X-AG der Klägerin weiterhin Arbeitslohn.

  3. Die Investitions- und Förderbank Niedersachsen (N-Bank) bewilligte der Klägerin mit Bescheiden vom 27.06.2014 sowie vom 26.06.2015 über die Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung aufgrund des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) Aufstiegsfortbildungsförderung für die Kosten der Lehrveranstaltungen wie folgt:

    Bewilligungszeitraum  

            Zuschuss 

             Darlehen 

    07.2014 – 11.2014

    1.598,20 €

    3.641,80 €

    07.2015 – 10.2015

    1.094,95 €

    2.495,05 €

  4. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährte der Klägerin auf ihre Anträge hin mit Rahmendarlehensverträgen vom 23.07.2014 und vom 26.06.2015 daraufhin jeweils Maßnahmedarlehen in Höhe von 3.641,80 € und 2.495,05 €.

  5. Unter Ziffer 3.6 der Verträge heißt es: "Hat der Darlehensnehmer die Fortbildungsprüfung bestanden, wird ihm gegen Vorlage des Prüfungszeugnisses (amtliche Beglaubigung) 25 Prozent des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG i. V. mit § 30 Abs. 1 AFBG erlassen."

  6. In der Einkommensteuererklärung der Kläger für 2014 machte die Klägerin bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Fortbildungskosten in Höhe von 4.742 € geltend. Hierin war neben weiteren Aufwendungen (unter anderem Reisekosten, Fachbücher und Prüfungsgebühren) auch eine Zahlung an die Y in Höhe von 5.240 € abzüglich des von der N-Bank gezahlten Zuschusses in Höhe von 1.598,20 € enthalten. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte die Fortbildungskosten im Einkommensteuerbescheid 2014 antragsgemäß.

  7. In der Einkommensteuererklärung der Kläger für 2015 machte die Klägerin bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Fortbildungskosten in Höhe von 8.239 € geltend. Hierin war neben weiteren Aufwendungen wiederum auch eine Zahlung an die Y in Höhe von 3.590 € enthalten. Das FA erkannte die Fortbildungskosten letztendlich wie erklärt als Werbungskosten an.

  8. Mit zwei Schreiben vom 06.07.2018 teilte die KfW der Klägerin mit, dass ihr nach bestandenen Abschlussprüfungen gemäß § 13b Abs. 1 AFBG 40 % der valutierenden Darlehen für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren erlassen würden. Der Erlass betrug für die Fortbildung zur geprüften Industriemeisterin Metall 557,68 € und für die Fortbildung zur geprüften Technischen Betriebswirtin IHK 646,64 €.

  9. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger ergänzend geltend, der teilweise Erlass der KfW-Darlehen sei der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

  10. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erhöhte das FA abweichend von der eingereichten Steuererklärung zunächst den Bruttoarbeitslohn des Klägers um den Betrag der Darlehenserlasse der KfW von insgesamt 1.204 €. Mit der Einspruchsentscheidung erhöhte das FA sodann den Bruttoarbeitslohn der Klägerin unter gleichzeitiger Minderung der Einkünfte des Klägers um die Darlehenserlasse und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

  11. Die hiergegen gerichtete Klage hatte mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1366 veröffentlichten Gründen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, ein aufgrund bestandener Fortbildungsprüfung gewährter Darlehenserlass nach § 13b Abs. 1 AFBG stelle keine Einnahme bei der Einkunftsart dar, bei der die durch das Darlehen finanzierten Lehrgangs- und Prüfungsgebühren steuermindernd berücksichtigt worden seien. Ein solcher Darlehenserlass sei auch nicht als sonstige Leistung nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu besteuern.

  12. Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

  13. Es beantragt,
    das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  14. Die Kläger beantragen,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat den teilweisen Erlass der von der KfW für die Fortbildungen der Klägerin gewährten Darlehen zu Unrecht nicht als Arbeitslohn angesehen.

  2. 1. Der Rückfluss beziehungsweise die Erstattung (der Ersatz) von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind (zuletzt Senatsurteil vom 29.09.2022 - VI R 34/20, BFHE 278, 319, BStBl II 2023, 142, Rz 18, m.w.N.). So führen beispielsweise Leistungen aus einem Stipendium dann zu Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn das Stipendium dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient (Senatsurteil vom 29.09.2022 - VI R 34/20, BFHE 278, 319, BStBl II 2023, 142, Rz 20). Ein Zusammenhang mit einem gegenwärtig bestehenden Arbeitsverhältnis ist nicht erforderlich.

  3. 2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die teilweisen Erlasse der KfW-Darlehen zu Unrecht nicht als Einnahmen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eingeordnet.

  4. a) Die N-Bank bewilligte der Klägerin in den Jahren 2014 und 2015 Aufstiegsfortbildungsförderung für die Kosten der Lehrveranstaltungen ihrer Fortbildungen zur geprüften Industriemeisterin Metall sowie zur geprüften Technischen Betriebswirtin IHK (sog. Maßnahmebeitrag gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AFBG). Dass es sich bei diesen Kosten um Werbungskosten der Klägerin im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit handelte, steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit.

  5. aa) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG in der in den Jahren 2014 und 2015 geltenden Fassung bestand der Maßnahmebeitrag aus einem Anspruch auf Förderung der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren bis zu einem Gesamtbetrag von 10.226 € und wurde in Höhe von 30,5 % als Zuschuss geleistet (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AFBG in der in den Jahren 2014 und 2015 geltenden Fassung). Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 AFBG besteht der Maßnahmebeitrag darüber hinaus aus einem Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags mit der KfW nach Maßgabe des § 13 AFBG. Die infolgedessen von der KfW angebotenen Darlehen für die nach den von der N-Bank geleisteten Zuschüssen verbleibenden Kosten der Lehrveranstaltungen nahm die Klägerin in Anspruch.

  6. bb) Als Folge der bestandenen Abschlussprüfungen erließ die KfW der Klägerin gemäß § 13b Abs. 1 AFBG in der im Streitjahr geltenden Fassung 40 % der valutierenden Darlehen für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG.

  7. b) Nicht nur die in den Jahren 2014 und 2015 von der N-Bank geleisteten Zuschüsse zu den Kosten der Lehrveranstaltungen, sondern auch die im Streitjahr gewährten teilweisen Erlasse der valutierenden Darlehen seitens der KfW beruhen auf in der Erwerbssphäre liegenden Gründen.

  8. aa) So ist Ziel der individuellen Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, Teilnehmende an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung unter anderem durch Beiträge zu den Kosten einer Maßnahme finanziell zu unterstützen. Die Kosten der Lehrveranstaltung werden durch den Förderungsbetrag "Maßnahmebeitrag" in Form eines Zuschusses und eines ergänzenden Anspruchs auf ein während der Dauer der Maßnahme sowie einer anschließenden Karenzzeit von zwei Jahren zins- und tilgungsfreies Darlehen gefördert. Bei Bestehen der Fortbildungsprüfung sieht § 13b Abs. 1 AFBG einen teilweisen Erlass (im Streitjahr von 40 %) des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren vor.

  9. Die Förderung endet, wenn die Maßnahme vor dem Ablauf der vertraglichen Dauer vom Teilnehmer abgebrochen oder vom Träger gekündigt wurde (§ 7 Abs. 1 AFBG). Die regelmäßige Teilnahme an der geförderten Maßnahme hat der Teilnehmer nachzuweisen (§ 9a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AFBG).

  10. bb) Der Darlehensteilerlass wurde vom Gesetzgeber dabei erstmals mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vom 18.06.2009 (BGBl I 2009, 1314) eingeführt und bezweckte nicht nur, die Attraktivität beruflicher Aufstiegsfortbildungen weiter zu steigern und noch mehr Menschen für Fortbildungen zu gewinnen, sondern auch die Förderung stärker am Erfolg der Fortbildungsmaßnahme zu orientieren (BTDrucks 16/10996, S. 1 f.). Hierdurch sollten zusätzliche Anreize gegeben werden, eine berufliche Fortbildung durchzuführen und erfolgreich abzuschließen, und damit das Ziel des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes, nämlich die tatsächliche Höherqualifizierung (der berufliche Aufstieg) der Geförderten, noch besser erreicht werden (BTDrucks 16/10996, S. 29).

  11. Der Anreiz, nicht nur an der geförderten Vorbereitungsmaßnahme teilzunehmen, sondern die Aufstiegsprüfung auch erfolgreich zu meistern, sollte in der Folge durch stetige Anhebungen des Bestehenserlasses ("Erfolgsbonus") immer weiter gesteigert werden (BTDrucks 18/7055, S. 3 und S. 43; BTDrucks 19/15273, S. 2 und S. 30). Zugleich sollten damit die Kosten für den Lehrgang und die mögliche Darlehenslast nach erfolgreichem Abschluss einer Aufstiegsqualifizierung für erfolgreiche Teilnehmer weiter gesenkt werden (BTDrucks 18/7676, S. 19; BTDrucks 19/15273, S. 30).

  12. cc) Der Erlass hängt dementsprechend gemäß § 13b Abs. 1 AFBG dem Grunde nach allein vom Bestehen der Abschlussprüfung und nicht von der finanziellen Bedürftigkeit oder den persönlichen Lebensumständen des Darlehensnehmers ab. Er ist zudem der Höhe nach an dem konkreten Darlehen ausgerichtet.

  13. Mit den durch die Maßnahmebeiträge einschließlich des Bestehenserlasses geförderten Fortbildungen strebte die Klägerin eine Höherqualifizierung und damit eine Verbesserung ihrer beruflichen Möglichkeiten an. Nach alledem wiesen auch die Leistungen der KfW damit einen hinreichenden Erwerbsbezug auf (ebenso Maciejewski, Steuer und Wirtschaft 2023, 145, 157).

  14. dd) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 10.11.2020 - IX R 32/19 (BFHE 271, 218, BStBl II 2023, 169), mit dem der BFH über die einkommensteuerlichen Folgen eines Vergleichs im Rechtsstreit über die Finanzierung von sogenannten Schrottimmobilien entschieden hat. Die Entscheidung ist bestimmt durch die tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden war. Der dort entschiedene Sachverhalt ist zudem nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar.

  15. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Quelle: https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410013/



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