BFH-Rechtsprechung

Aktenzeichen Suchbegriff Datum der Entscheidung  

Beschluss vom 11. Oktober 2023, I R 53/20

Folgewirkungen (Progressionsvorbehalt, Kinderfreibeträge) bei abkommensrechtlich freigestellten ausländischen Einkünften

ECLI:DE:BFH:2023:B.111023.IR53.20.0

BFH I. Senat

EStG § 2a Abs 2 S 1, EStG § 31, EStG § 32a Abs 1, EStG § 32b Abs 1 S 2 Nr 2, GG Art 3 Abs 1, AEUV Art 267, EStG VZ 2015

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 12. November 2020, Az: 12 K 1279/18

Leitsätze

1. NV: Bei unter Progressionsvorbehalt abkommensrechtlich steuerfrei gestellten ausländischen Einkünften liegt auch dann keine unzulässige Übermaßbesteuerung der ausländischen Einkünfte vor, wenn bei Zusammenrechnung der Auslandssteuer und der inländischen Steuererhöhung aufgrund des Progressionsvorbehaltes rechnerisch eine Steuerbelastung der ausländischen Einkünfte von mehr als 49 % entsteht.

2. NV: Es ist weder verfassungsrechtlich noch unionsrechtlich geboten, die steuerliche Auswirkung der Kinderfreibeträge in dem Umfang herzustellen, der sich bei Steuerpflicht der ausländischen Einkünfte ergäbe.

3. NV: Einkünfte aus nur mittelbar der Förderung des Fremdenverkehrs dienenden Tätigkeiten (hier: Betrieb eines Skilifts) unterfallen nicht dem Ausschluss aus dem Aktivitäts-/Produktivitätskatalog des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 2a Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 12.11.2020 - 12 K 1279/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten über die Belastungswirkung von ‑‑dem sogenannten Progressionsvorbehalt unterliegenden‑‑ ausländischen Einkünften und in diesem Zusammenhang auch über die Entlastungswirkung der Berücksichtigung von Abzugsbeträgen des Familienleistungsausgleichs im Jahr 2015 (Streitjahr).

  2. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger bezog Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, die Klägerin neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte aus einer Beteiligung als Kommanditistin einer KG (Bergbahn … KG) mit Sitz in …/Österreich (… €). Die Beteiligungseinkünfte unterlagen (unter Abzug eines dortigen Gewinnfreibetrags von … €) in Höhe von … € der Einkommensbesteuerung in Österreich (österreichische Einkommensteuer: … €). Die Kläger haben drei Kinder, für die sie im Streitjahr Kindergeld bezogen haben (A, geboren am ….1990 [… €]; B, geboren am ….1994 [… €]; C, geboren am ….1996 [… €]).

  3. Mit Bescheid vom 30.03.2017 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) Einkommensteuer (… €), Solidaritätszuschlag (… €) und Kirchensteuer (… €) fest. Dabei berücksichtigte er unter anderem dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte von … €, einen Kinderfreibetrag für das Kind C (unter Berücksichtigung des gezahlten Kindergelds) sowie einen anteiligen Freibetrag gemäß § 33a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) für das Kind A (… €). Bei der Berechnung des Solidaritätszuschlages und der Kirchensteuer kam ein weiterer Kinderfreibetrag von … € zum Abzug. Dabei wurde der Freibetrag für das Kind A nur zeitanteilig für die Monate berücksichtigt, für die ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld bestand; für das Kind B waren die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Familienleistungsausgleich nicht erfüllt.

  4. Die Kläger machten im Einspruchsverfahren unter Vorlage des österreichischen Einkommensteuerbescheids geltend, die Besteuerung der ausländischen Einkünfte verstoße gegen das Übermaßverbot. Die ablehnende Einspruchsentscheidung datiert vom 11.04.2018. Zudem lehnte das FA mit Bescheid vom 12.04.2018 eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) ab.

  5. Im Klageverfahren erging ein Änderungsbescheid (Korrektur zugunsten der Kläger mit Blick auf das Kind A unter verfahrensrechtlicher Teil-Kompensation [§ 177 Abs. 2 AO] durch einen höheren Ansatz der ausländischen Einkünfte [Ansatz ohne Abzug des Gewinnfreibetrages]), mit dem die Einkommensteuer auf … €, der Solidaritätszuschlag auf … € und die Kirchensteuer auf … € herabgesetzt wurden.

  6. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat die Klage mit Urteil vom 12.11.2020 - 12 K 1279/18 (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2021, 1725) abgewiesen.

  7. Die Kläger rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Gewährung des maximalen Steuervorteils aus dem Familienleistungsausgleich und die Herabsetzung der Einkommensteuer auf den auf die ausländischen Einkünfte entfallenden Belastungsnachteil.

  8. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

  2. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat im angefochtenen Urteil ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Steuerbelastung aufgrund des Bezugs der ausländischen Einkünfte weder mit Blick auf die Anwendung des Progressionsvorbehalts noch auf die Wirkung des Familienleistungsausgleichs gegen höherrangiges Recht verstößt.

  3. 1. Die abkommensrechtlich zugelassene Einbeziehung der ausländischen Einkünfte bei der Festsetzung des inländischen Steuersatzes erfolgt im Wege des Progressionsvorbehalts. Die Rechtsanwendung im angefochtenen Bescheid lässt keinen Rechtsfehler erkennen; auch verfassungsrechtliche oder unionsrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen nicht.

  4. a) Nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist für einen Steuerpflichtigen (hier sinngemäß: für die Kläger im Rahmen ihrer Ehegattenveranlagung im Sinne des § 26 Abs. 1 i.V.m. § 26b EStG), der zeitweise oder während des gesamten Veranlagungszeitraums unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden, wenn er Einkünfte bezogen hat, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) steuerfrei sind. Der besondere Steuersatz ist in diesem Fall der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird um die steuerfrei bezogenen ausländischen Einkünfte, wobei die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte mit einem Fünftel zu berücksichtigen sind (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG). Allerdings ist die Anwendung des Progressionsvorbehalts auf solche ausländischen Einkünfte ausgeschlossen, die aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen gewerblichen Betriebsstätte erwirtschaftet werden, die nicht die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt (§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG).

  5. b) Die angefochtene Festsetzung entspricht insoweit dem Grunde und der Höhe nach dieser gesetzlichen Vorgabe (i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1, 2 und Art. 7 Abs. 1, Abs. 7 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24.08.2000, BGBl II 2002, 735, BStBl I 2002, 585, i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 29.12.2010, BGBl II 2011, 1210, BStBl I 2012, 367). Dies gilt insbesondere auch für die Rückausnahme vom Ausschluss der Anwendung des Progressionsvorbehalts in § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG - es liegt eine durch die Mitunternehmerstellung in der österreichischen KG vermittelte dortige Betriebsstätte vor (Bergbahnbetrieb), die nicht in einem Drittstaat belegen ist, wobei bei einer nur mittelbaren Förderung des Fremdenverkehrs "aktive" (die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllende) Einkünfte vorliegen (s. allgemein dazu Senatsbeschluss vom 26.01.2017 - I R 66/15, BFH/NV 2017, 726; Pfirrmann in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 32b Rz 18; Schmidt/Heinicke, EStG, 42. Aufl., § 32b Rz 17; Brandis/Heuermann/Wagner, § 32b EStG Rz 67 f.). Für die Differenzierung zwischen "aktiven" und "nicht aktiven" Einkünften gibt es einen ausreichend tragfähigen sachlichen Differenzierungsgrund der Befugnis des Gesetzgebers zu einer wirtschaftspolitischen Lenkung (z.B. Senatsurteil vom 17.10.1990 - I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136), was sich aus der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention der Eindämmung unerwünschter Bauherrenmodelle im Fremdenverkehrsbereich (s. z.B. BeckOK EStG/Hufeld, § 2a Rz 208; s.a. Schuhmann, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 1998, 95, 96) erschließen lässt; unionsrechtlich ist eine auf das nationale Recht bezogene Vergleichspaarbildung zwischen beiden Arten der Tätigkeiten ausgeschlossen. Nicht zuletzt ist es auf dieser Grundlage zutreffend, bei einer nur mittelbaren Förderung des Fremdenverkehrs zu einer Qualifizierung als "aktive Einkünfte" zu gelangen (s. insbesondere FG Hamburg, Urteil vom 14.03.2002 - VI 158/99, EFG 2002, 1014; zustimmend z.B. Kaminski in Korn, § 2a EStG Rz 160; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 2a Rz 39; Brandis/Heuermann/Wagner, § 2a EStG Rz 159; Schuhmann, FR 1998, 95, 96 f.), was mit Blick auf die uneingeschränkte Zahl der Nutzungsadressaten bei allen Objekten der allgemein zugänglichen Verkehrsinfrastruktur (und damit auch Bergbahnen) und Sportinfrastruktur (z.B. Schwimmbäder, Golfplätze, Skilifte; zu Letzteren ausdrücklich ebenso Schuhmann, FR 1998, 95, 97, aber ohne besondere Begründung anderer Ansicht Kaminski in Korn, § 2a EStG Rz 160) gilt.

  6. c) Die verfassungs- und unionsrechtlichen Einwendungen der Kläger bleiben ohne Erfolg.

  7. aa) Durch den in nahezu allen modernen DBA dem Ansässigkeitsstaat vorbehaltenen Progressionsvorbehalt soll sichergestellt werden, dass die Besteuerung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit, die in den meisten Staaten unter anderem durch eine progressive Gestaltung des Steuertarifs bewirkt wird, ungeachtet der Aufteilung des Steuerguts auf mehrere Staaten erhalten bleibt. Die Verteilung von Einkunftsquellen auf verschiedene Staaten soll sich auf den Steuersatz nicht auswirken, so dass derjenige, der Einkünfte aus mehreren Staaten bezieht, die kraft DBA auch in mehreren Staaten besteuert werden, nicht einem günstigeren oder ungünstigeren Steuersatz unterliegen soll als derjenige, der gleichhohe Einkünfte nur in ein und demselben Staat zu versteuern hat (z.B. Senatsurteil vom 22.02.2023 - I R 45/19, BFH/NV 2023, 947; s.a. Senatsurteil vom 04.08.1976 - I R 152, 153/74, BFHE 119, 470, BStBl II 1976, 662; aus der Literatur z.B. Frenz in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32b Rz A 5 f.; Kuhn/Hagena in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32b EStG Rz 11; BeckOK EStG/Lammers, § 32b Rz 19.3; Brandis/Heuermann/Wagner, § 32b EStG Rz 28; Pfirrmann in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 32b Rz 4). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass der Progressionsvorbehalt "als solcher" nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 03.05.1995 - 1 BvR 1176/88, BStBl II 1995, 758; Senatsurteile vom 04.08.1976 - I R 152, 153/74, BFHE 119, 470, BStBl II 1976, 662; vom 15.05.2002 - I R 40/01, BFHE 199, 224, BStBl II 2002, 660; vom 12.01.2011 - I R 35/10, BFHE 232, 432, BStBl II 2011, 494; vom 25.11.2014 - I R 84/13, BFH/NV 2015, 664; vom 13.04.2021 - I R 19/19, BFH/NV 2021, 1357). Daran ist festzuhalten.

  8. bb) Auch aus unionsrechtlicher Sicht bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken: Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Einbeziehung nach DBA freigestellter Einkünfte in einen Progressionsvorbehalt weder eine unzulässige Einschränkung der Freizügigkeit noch der Dienstleistungsfreiheit dar (Gerichtshof der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑, Urteil Bechtel vom 22.06.2017 - C-20/16, EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271 [Anwendung des Progressionsvorbehalts im Ausgangspunkt unionsrechtskonform, s. sogleich]; Senatsbeschluss vom 16.09.2015 - I R 62/13, BFHE 251, 204, BStBl II 2016, 205; FG Hamburg, Urteil vom 06.02.2014 - 2 K 73/13, EFG 2014, 1000). Es ist kein sachlicher (im Gegenstand der jeweiligen Grundfreiheit liegender) Grund ersichtlich, warum dies nicht entsprechend für die Niederlassungs- oder die Kapitalverkehrsfreiheit gelten sollte (wohl auch Frenz in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32b Rz A 64; s.a. Kister in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl., § 32b EStG Rz 18 mit Verweis darauf, dass nach der EuGH-Rechtsprechung die abkommensrechtliche Freistellung schon die Vergleichbarkeit mit dem Inlandsfall hindert - s. insoweit auch Senatsurteile vom 22.02.2023 - I R 35/22 (I R 32/18), BFHE 280, 98, BStBl II 2023, 761 und vom 12.04.2023 - I R 44/22 (I R 49/19, I R 17/16), BFHE 280, 213, BStBl II 2023, 974). Die Anwendung des Progressionsvorbehalts hat nicht eine Benachteiligung des Beziehers ausländischer Einkünfte zur Folge, sondern vielmehr eine Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Einkünfte. So wird durch den Progressionsvorbehalt eine tarifliche Besserstellung der inländischen Einkünfte vermieden, die anderenfalls aufgrund der Steuerfreiheit der ausländischen Einkünfte tariflich nicht die Progressionsstufe erreichen würde, die ihrer Leistungsfähigkeit entspricht (Senatsurteil vom 15.05.2002 - I R 40/01, BFHE 199, 224, BStBl II 2002, 660; BeckOK EStG/Lammers, § 32b Rz 20.1). Dies gilt auch dann, wenn die Gesamtbelastung mit inländischen und ausländischen Steuern höher ist als in der Konstellation, dass die Einkünfte insgesamt der inländischen Besteuerung unterliegen (Brandis/Heuermann/Wagner, § 32b EStG Rz 31). Denn unionsrechtlich ist nicht geboten, dass die Gesamtsteuerbelastung bei Einkünften aus mehreren Staaten auf den Höchststeuerbetrag einer fiktiven Inlandsbesteuerung "gedeckelt" wird (Senatsbeschlüsse vom 19.07.2010 - I B 10/10, BFH/NV 2011, 17; vom 26.01.2017 - I R 66/15, BFH/NV 2017, 726; BeckOK EStG/Lammers, § 32b Rz 20.1; Wackerbeck, EFG 2021, 1727). Dem Wohnsitzstaat kann die Steuerbelastung im Quellenstaat nicht entgegengehalten werden, was aber Inhalt der auf die Gesamtsumme der in- und ausländischen Steuerbelastung verweisenden Argumentation der Kläger ist.

  9. d) Da der Senat insoweit weder verfassungsrechtliche noch unionsrechtliche Zweifel hat, kommt weder eine Vorlage an das BVerfG noch an den EuGH in Betracht; dabei sieht er die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des EuGH in einem Maß als geklärt an, dass nach den Maßstäben der EuGH-Rechtsprechung (s. zuletzt EuGH-Urteil Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom 06.10.2021 - C-561/19, EU:C:2021:799, Neue Juristische Wochenschrift 2021, 3303) von einer Vorlage an den EuGH (Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) auch vom Bundesfinanzhof (BFH) abgesehen werden kann.

  10. 2. Gegenstand der Rüge der Kläger ist die Höhe der Entlastungswirkung der Berücksichtigung von Abzugsbeträgen des Familienleistungsausgleichs; die finanzielle Auswirkung wäre höher, wenn die ausländischen Einkünfte als steuerpflichtige Einkünfte die inländische Bemessungsgrundlage erhöht hätten. Die auf den Familienleistungsausgleich bezogene Rechtsanwendung im angefochtenen Bescheid lässt allerdings keinen Rechtsfehler erkennen; auch verfassungsrechtliche oder unionsrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen nicht.

  11. a) Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht im Streit, dass die Festsetzung dem Grunde und der Höhe nach den (einfach-)gesetzlichen Vorgaben entspricht, so dass weitere Ausführungen dazu entbehrlich sind.

  12. b) Die von den Klägern begehrte Erhöhung der finanziellen Auswirkung der (nationalen) Abzugsposten ist weder verfassungsrechtlich noch unionsrechtlich geboten.

  13. Zwar kann eine nationale Regelung des Wohnsitzstaats, die bei grenzüberschreitenden Erwerbsbetätigungen steuerliche Vergünstigungen betreffend die persönliche oder familiäre Situation beschränkt oder ausschließt, unter dem Gesichtspunkt der zu wahrenden Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn der Beschäftigungsstaat, in dem ein Teil der Einkünfte bezogen wird, derartige Vergünstigungen entweder auf freiwilliger Basis oder auf Grundlage eines bilateralen Abkommens gewährt (EuGH-Urteile de Groot vom 12.12.2002 - C-385/00, EU:C:2002:750, Slg. 2002, I-11819, Rz 99 ff.; Beker vom 28.02.2013 - C-168/11, EU:C:2013:117, BStBl II 2015, 431, Rz 56). Voraussetzung für eine solche Entpflichtung des Wohnsitzstaats ist allerdings, dass ‑‑unabhängig von der Art der Aufteilung‑‑ die gesamte persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen "im Ganzen gebührend" berücksichtigt wird (EuGH-Urteil de Groot vom 12.12.2002 - C-385/00, EU:C:2002:750, Slg. 2002, I-11819, Rz 101; ebenso EuGH-Urteil Imfeld und Garcet vom 12.12.2013 - C-303/12, EU:C:2013:822, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2014, 183, Rz 70). Aus diesem Grund kann die Ausgewogenheit der Besteuerungsbefugnisse nur dann gewahrt werden, wenn zwischen der nationalen Steuerregelung im Wohnsitzstaat, die eine Vergünstigung beschränkt beziehungsweise ausschließt, und der im Beschäftigungsstaat gewährten Vergünstigung für die dort zu besteuernden Einkünfte eine wechselseitige Beziehung besteht (EuGH-Urteile Imfeld und Garcet vom 12.12.2013 - C-303/12, EU:C:2013:822, HFR 2014, 183, Rz 73 sowie Bechtel vom 22.06.2017 - C-20/16, EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271, Rz 74; BFH-Urteil vom 05.11.2019 - X R 23/17, BFHE 267, 34, BStBl II 2020, 763, Rz 31; s.a. Senatsbeschluss vom 16.09.2015 - I R 62/13, BFHE 251, 204, BStBl II 2016, 205, Rz 39 f.). Eine vergleichbare Situation (s. etwa zu einem Sonderausgabenabzug von Beiträgen zu einem inländischen Versorgungswerk Senatsurteil vom 13.04.2021 - I R 19/19, BFH/NV 2021, 1357 als Revisionsinstanz zu dem von den Klägern angeführten Urteil des FG Nürnberg vom 13.02.2019 - 5 K 887/18, EFG 2019, 764; Senatsbeschluss vom 22.02.2023 - I R 55/20, BFH/NV 2023, 801) liegt im Streitfall nicht vor. Denn die gesetzlichen Regelungen sehen keine Kürzungen im Familienleistungsausgleich vor, wenn (teilweise) Einkünfte im Ausland erwirtschaftet werden. Vielmehr führt das Erzielen der ausländischen Einkünfte im Streitfall dazu, dass die finanzielle Auswirkung der Abzugsmöglichkeiten höher ist, als wenn die Kläger diese Einkünfte nicht erzielt hätten. Dass sich "faktisch" ein finanzieller Nachteil gegenüber der Situation der Erzielung dieser Einkünfte im Inland errechnen lässt, ist nicht rechtserheblich (gleicher Ansicht Wackerbeck, EFG 2021, 1727). Die Kläger haben weder verfassungs- noch unionsrechtlich einen Anspruch darauf, dass für die Bemessung der Abzugsposten von der inländischen Bemessungsgrundlage der abkommensrechtliche Anwendungsbefehl einer Steuerfreistellung der Einkünfte bei der Ermittlung der inländischen Bemessungsgrundlage negiert wird. Weder das Prinzip der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit noch das Unionsrecht stellen spezifische Anforderungen dazu auf, wie die persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen im Ganzen im Rahmen des (nationalen) Besteuerungssystems (ungeachtet der grundlegenden Kritik an der Ausgestaltung des Familienleistungsausgleichs wegen einer "Vermengung von Steuer- und Sozialrecht" [z.B. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl., Rz 8.94 f.; Kanzler in I. Ebling [Hrsg.], Besteuerung von Einkommen, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Bd. 24, 2001, 417, 447 ff.]; hier: als Abzugsposten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage auf der Grundlage der durch inländische Einkünfte bestimmten Summe der Einkünfte als Ausdruck objektiver Leistungsfähigkeit) auszugestalten ist (Senatsbeschluss vom 22.02.2023 - I R 55/20, BFH/NV 2023, 801; s.a. EuGH-Urteil de Groot vom 12.12.2002 - C-385/00, EU:C:2002:750, Slg. 2002, I-11819). Jedenfalls geben mittelbare Auswirkungen der vorgegebenen Normstruktur (hier: keine Berücksichtigung der steuerfreien ausländischen Einkünfte auf einen positiven oder negativen Posten der inländischen Bemessungsgrundlage) keinen belastbaren Grund für die Annahme einer verfassungs- oder unionsrechtlichen Grundrechts- beziehungsweise Grundfreiheitsbeeinträchtigung (so im Ausgangspunkt auch BVerfG-Beschluss vom 07.06.2023 - 2 BvL 6/14, juris, Rz 54; s.a. zu "systembedingten technischen Folgen ohne diskriminierende Wirkungen" BeckOK EStG/Lammers, § 32b Rz 20.4), so dass der Senat auch insoweit von einer Vorlage an das BVerfG oder den EuGH absehen kann.

  14. 3. Soweit die Kläger im Verlauf des Revisionsverfahrens geltend gemacht haben, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, weil das FG keine Feststellungen zum Geschäftsgegenstand der KG (Skilift; "Fremdenverkehr") getroffen habe, hat dies schon wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit (bei einem Betreiben eines Skilifts liegen "aktive Einkünfte" vor) keinen Erfolg.

  15. 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.



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